Donnerstag, 13. April 2017

Papa - 3 Jahre später.

Mein letzter Eintrag ist inzwischen fast 3 Jahre her und ging an meinen Vater.
Und auch wenn das, was da unten zu lesen ist, für immer ein Teil des Verhältnisses zu meinem Vater sein wird - ich versuche inzwischen, ihm zu verzeihen. Er hat einen wahnsinnigen Bewusstseins-Schub erlebt.
Vor einigen Wochen steht er vor meiner Haustür - extrem abgemargert. Ich hab mich in jeglicher Hinsicht erschrocken, mich aber überraschenderweise auch gefreut ihn zu sehen.
Etwas zwischen uns ist komplett anders. Wir sitzen uns gemeinsam an den Tisch, trinken Kaffee- er raucht ungewöhnlich viel - und ich erzähle ihm eine Menge aus meinem Leben. Von meinen Reisen bis hin zur Flüchtlingshilfe - für alles hat er die richtigen Worte und spricht mir aus der Seele. Bei Letzterem meint er irgendwann "Ellie, es gibt nichts Wichtigeres und auch nichts Leichteres, als glücklich zu sein. Wir leben auf der Sonnenseite und dem müssen wir uns einfach bewusst werden. Es geht uns zu gut, also kreieren wir unsere eigenen, komplett überflüssigen Dramen."
Er sieht mich traurig an, atmet einmal tief ein uns sagt "Ich muss dir was erzählen, aber sag's keinem."
Und da ist er. Der Moment, in dem meine Gedanken verrückt spielen und der Moment, der mir die Augen öffnet.
Eine Stimme in meinem Kopf sagt mir auf der Stelle: Er ist todkrank, deshalb ist er auch so mager. Er war noch nie so. Ich werde ihn verlieren. Dein Papa wird sterben. Und ich hätte auf der Stelle losheulen können. Ich will diesen Menschen, nach allem was passiert ist, nie nie niemals verlieren. Ich liebe ihn.
Entgegen meiner Erwartungen erzählt er mir von seiner bzw. auch meiner Familie. Er hat zwei Schwestern, beide todunglücklich. Eine im Krankenhaus wegen ihrer Magersucht, die andere mit 3 kleinen Kinder und einem todkranken Mann. An Ersterem haben laut Therapeuten die Eltern die Schuld. "Das sind die Nachbeben aus unserer Kindheit. Sie ist die Jüngste von uns und war am längsten Zuhause. Es wäre kein Wunder, bei dem, was da los war", erzählt Papa. Er selbst hat inzwischen mit seinen Eltern gebrochen. Und er tut mir einfach wahnsinnig leid.
Seine Welt steht Kopf, er macht sich Sorgen um seine Schwestern, ist unglaublich wütend auf seine Eltern und er hat keinen Menschen, mit dem er darüber reden kann. Er ist alleine, obwohl er selbst 3 Kinder in die Welt gesetzt hat.
Wie er da so saß, hab ich nicht anderes für ihn empfunden als Liebe. Keine Wut, kein Hass, ich hab ihn einfach nur geliebt.
Natürlich wird nicht von heute auf morgen alles wieder gut. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Dienstag, 3. Juni 2014

Papa

Papa,
Ich muss es wohl einsehen. Ich bin dir egal. Seit Monaten kein Ton mehr. Ja, du fehlst mir. Immer noch. Und dafür hasse ich mich. Ich will meinen alten Papa zurück. Interessiert dich gar nicht was aus mir wird? Du kennst mich kaum mehr. Dabei bin ich dir so ähnlich. Mama ist anders. Immer so laut, immer am diskutieren. Sie will, dass ich anders werden und weniger so wie du bin. Nein, ich hasse dich nicht. Es ist mir nicht egal, dass du einfach so gegangen bist. Ich mich eben nicht damit abgefunden, dass du jetzt ein neues Leben hast und ohne mich glücklich bist.
Vielleicht wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn du etwas gesagt hättest. Oder dich bemüht hättest. Du kannst nicht erwarten, dass alles beim Alten bleibt. Du hättest mehr tun sollen als nach einem Jahr zu fragen, ob ich mit dir Essen gehen will. Ich hätte Zeit gebraucht. Irgendwann hätte ich Ja gesagt. Aber du hast aufgegeben. Bist nur noch gekommen, wenn's ums Geld ging.
Ich wollte mir so oft einreden, dass du tot bist. Schien mir einfacher. Aber dann bist du alle paar Monate da gewesen. Für ein paar Stunden. Und hast mich daran erinnert, dass es dich sehr wohl noch gibt. Und dass das auch sehr wohl noch weißt, dass es mich noch gibt. Du hast mich daran erinnert, dass du jetzt ohne mich bist und du trotzdem glücklich bist. Und daran, dass ich dich gebraucht hätte.
Du hättest meinen ersten Freund kennen lernen sollen. Du hättest auf meinem Abiball sein sollen. Aber dir waren 12 Jahre meines Lebens wohl genug.
Ich würde dir das alles so gerne sagen. Und doch kann ich nicht, weil ich so bin wie du und wir diesen Situationen aus dem Weg gehen.
Vielleicht würdest du auch wütend werden. Ich weiß es nicht, ich kenne dich ja genauso wenig wie du mich. Den "neuen" Papa. Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen, dass du wieder bei mir bist.
Und trotzdem vermiss ich dich. Seltsam, nicht?

Ich hab dich lieb, Papa. Ganz egal was war.
Und so wirds leider auch immer sein.
Also bitte tu mir den Gefallen und lass mich dich vergessen, so wie du mich vergessen hast.
Halt dich fern von mir, geh raus aus meinem Kopf. Denn so wie du jetzt bist, so will ich dich nicht mehr.
Du bist nicht mehr mein Vater, ich in nicht mehr dein Kind.

An den Füßen. Damit die Leute in der Uni nichts merken.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Urlaubsbekanntschaft, die Spuren hinterlässt.

Ich hielt nicht viel von ihm. Er war ständig bekifft und durchgehend am feiern. Er bleibt 6 Wochen lang, ich weiß nicht wie er das schaffen soll. Seine Freundin sitzt zuhause, er fickt sich durch Bulgarien.
Wie gesagt: Ich hielt nicht viel von ihm. Er hat mich angesprochen, ich wollte einfach nur noch, dass er wieder verschwindet. Dann hab ich ihn wieder getroffen. Er wollte Gras mit mir rauchen, ich hab ihn weggeschickt.
Und dann hab ich ihn zum ersten Mal tagsüber getroffen. Beim Essen. Natürlich war er wieder/immer noch betrunken. Aber dann hab ich mich mit ihm unterhalten.
Er ist definitiv der intelligenteste Mensch, der mir je begegnet ist. Sein Abi hat er schon vor einer Weile mit 1,3 geschafft, obwohl er in den mündlichen Prüfungen bekifft war. Egal worüber man mit ihm spricht, er weiß alles.
Und trotzdem kommt er in seinem Leben nicht klar. Er ist aus der Bundeswehr geflogen, er hat keinen Führerschein mehr und wird ihn auch nicht mehr bekommen, er weiß nicht wohin mit sich.
"Vielleicht werd' ich Arzt. Das fänd ich irgendwie cool. Oder Anwalt."
Er sprach wie ein kleines Kind von seiner Zukunft. Aber ich glaube er könnte das alles tatsächlich schaffen, würde er nur seine Einstellung ändern.
Am liebsten hätte ich ihn wachgerüttelt, damit er endlich etwas aus seiner Intelligenz und seinem Leben macht. Denn wenn er so weitermacht, wird er bestimmt nicht sehr alt.
Jedenfalls hielt ich von da an doch einiges von ihm. Natürlich hatte ich trotzdem nichts mit ihm. Er hat eine Freundin.
Doch nach einem Gespräch wäre ich ihm am liebsten um den Hals gefallen.

Rene: "Isst du das nicht mehr?"
Ich: "Nee."
Rene: "Achja, nicht dass du noch dick wirst, was?"
Ich sage nichts, er spricht weiter.
Rene: "Da gibt es doch sogar so ein krankes System, bei dem man seine Nahrung nach Punkten abmisst."
Ich sage immer noch nichts.
Rene: "Ich versteh' euch Mädchen nicht. Einmal war ich mit einem Mädchen Essen und sie hat ständig nur an ihrem Salat geknabbert. Als sie fertig war, sagte sie 'Jetzt darf ich heute noch genau drei Punkt zu mir nehmen'. Sie war tatsächlich bei Weight Watchers. Das ist doch krank! Okay, sie war etwas fester. Aber das ist doch egal. Sie war so wahnsinnig hübsch!"

Er sieht wirklich gut aus, die Mädchen stehen Schlange. Und trotzdem lässt er sich nicht von kranken Schönheitsidealen beeinflussen. Ob das etwas mit seinem IQ zu tun hat weiß ich nicht, aber von da an mochte ich ihn.

Dienstag, 2. Juli 2013

Mein Herz ist nie besoffen, auch wenn die Beine torkeln.

Eine als "Grillparty" getarnte Eskalation beim reichsten Kerl hier in der Stadt. Ich weiß nicht, wie ich zu der Ehre kam, dass ich eine der nur 30 Leute war, die eingeladen waren. Aber anscheinend musste es so sein.
Habt ihr schon mal jemanden das erste Mal in die Augen gesehen und wusstet sofort, dass ihr an diesen Moment noch wahnsinnig oft zurückdenken werdet?
Genau das ist mir gestern passiert. Erst spät nachts, aber es ist passiert.
Ich musste lachen, weil eine Bank unter ein paar Leuten zusammengebrochen ist, und er hat mich angesehen. Ich hab ihn angesehen und es ist passiert.
Ich zittere, obwohl ich fast schon im Lagerfeuer sitze. Er kommt zu mir, gibt mir seinen Pullover und setzt sich neben mich. Er sagt wir haben uns mal kennengelernt als wir noch 13 waren. Das ist jetzt 5 Jahre her und er hat sich anscheinend sehr verändert, ansonsten hätte ich mich an ihn erinnert.
Wir sind betrunken. Betrunken werde ich ehrlich und rede ohne nachzudenken.
Ich nehme meinen Ex noch wahr, wie er unruhig und neugierig um uns rumrennt, aber dann bin ich voll und ganz bei ihm. Wir reden über seine Haare, die teilweise Dreads sind, das Abi, Festivals, wie beschissen unsere Stadt ist und die Zukunft. Genau wie ich hat auch er keinen Plan und das Gefühl, nichts zu können. Trotzdem lachen wir und er tut mir absolut gut. Es gibt sie tatsächlich. Diese Menschen, die man kennenlernt und das Gefühl hat, sie schon ewig zu kennen.
Um 3 muss ich dann doch abhauen. Ich hab weder seine Nummer, noch erinnere ich mich an seinen Namen. Wir haben teilweise die gleichen Freunde und feiern großteils an den gleichen Orten.
Er meinte, wir würden uns dort bestimmt bald schon wiedersehen. Ich hoffe es.
Solange bleibt mir nur der Geruch, der von seinem Pullover auf mein Shirt überging.

Montag, 1. Juli 2013

Cheah, Abi. Und jetzt? Die Welt steht mir offen. Aber genau das macht mir Angst. Ich weiß nicht wohin mit mir, verfehle den Sinn darin. Egal welchen Weg ich einschlage, es wird mich am Ende nicht glücklich machen.
Ich vermisse meinen Vater. Das habe ich inzwischen eingesehen. Der Mensch, den ich eigentlich hassen sollte. Ausgerechnet der fehlt mir. Ihm ist egal was aus mir wird oder was in den letzten Jahren aus mir geworden ist. Jeder kann ihn hassen, sogar meine Schwestern. Aber ich nicht. Vielleicht weil ich bin wie er. Aber so will ich doch gar nicht sein. Ich hasse ihn dafür, dass er mich in diesem Irrenhaus alleine gelassen hat und wünschte trotzdem er wäre bei mir.

Fick dich, Dad. Ich liebe dich.
Verpiss dich. Ich vermisse dich.

Dienstag, 19. März 2013

neuste Methode:
Für jeden Tag, den ich ohne Essen aushalte, darf ich mir einen Schnitt am Bauch verpassen.
Und es klappt einigermaßen. Geil, nicht? ...not! Ich weiß wie bescheuert das ist.
Am Ende hab ich immer 'nen scheiß Körper. Entweder fett oder zerschnitten.
Aber etwas in meinem Kopf sagt, dass zerschnitten so viel besser ist als fett..

Montag, 11. März 2013

Vergangenheit

Stellt euch vor ihr könntet einen Tag eures Leben noch einmal erleben. Welchen würdet ihr wählen?
Klar, man denkt zuerst an die großen Ereignisse im bisherigen Leben. Die großen Momente nochmals erleben..
Aber ich persönlich würde keinem dieser Momente die Einzigartigkeit rauben.
Ich würde zurückgehen in die Zeit, in der mein Vater noch Vater war. In dieser Zeit würde ich gerne noch einmal einen Samstag erleben. Irgendeinen Samstag. Den Familienalltag mit Vater erleben.
Ich erinnere mich nicht, wie es war als er mit am Frühstückstisch saß. Ein Mann, der endlich mal genauso ist wie ich. Es ist nur 6 Jahre her und ich weiß es nicht mehr.
Zu gern würde ich genau das nochmal erleben.

Du fehlst mir, Dad.